Fokus

Wichtige Grundsteine zum Schutz von Frauen

Am 13. Juni 2024 ist das neue EU-Gesetz gegen Gewalt an Frauen in Kraft getreten. Die dbb frauen sehen darin einen entscheidenden Schritt nach vorn, der Weg ist aber noch weit.

Milanie Kreutz, stellv. dbb Bundesvorsitzende und Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung begrüßte die neue Richtlinie. „Dies ist ein entscheidender Schritt vorwärts in unserem anhaltenden Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Sie adressiert ein breites Spektrum an Gewaltformen – von physischer und psychischer Gewalt bis hin zu wirtschaftlicher, sexueller und Cybergewalt – und stellt sicher, dass die Rechte der Opfer in allen Mitgliedstaaten der EU gestärkt werden.“ Die dbb frauen begrüßen zudem, dass die EU das Problem ganzheitlich denkt und sowohl an den Symptomen als auch an den Ursachen und den Folgen anpackt. Das neue Gesetz sorgt für bessere Gewaltprävention ein, bietet den Opfern mehr Schutz sowie besseren Zugang zur Justiz und erwirkt härtere Strafen für Täter. Kreutz weiter: „Mit der Einführung der neuen Maßnahmen legen wir einen wichtigen Grundstein, um Frauen und Mädchen überall – sei es zu Hause, am Arbeitsplatz oder in der digitalen Welt – zu schützen.“ Gerade letzter Punkt sei in Zeiten von Deepfakes und KI unglaublich wichtig. „Frauen und Mädchen müssen sich auch im virtuellen Raum sicher fühlen können. Die EU zeigt mit diesem Gesetz, dass auch der Cyberspace kein rechtsfreier Raum ist.“

Kreutz kritisierte allerdings das Verhalten Deutschlands und anderer Länder bei der Erstellung des Gesetzes: „Es hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack, dass Bundesjustizminister Marco Buschmann zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Ungarns Premier Viktor Orbán Fortschritte bei der Festlegung einer auf Zustimmung basierenden Definition von Vergewaltigung blockiert hat. Aber das Vorhaben deshalb weiter auf die lange Bank zu schieben, war eben auch keine Option.“

Denn Anfang Juni hat das BKA Zahlen veröffentlicht, nach denen häusliche Gewalt – deren Opfer mit großer Mehrheit Frauen sind – um 6,5 Prozent gestiegen ist. „Stoppt die Gewalt gegen Frauen!“, machte Kreutz deutlich. „Wir brauchen wirksame Maßnahmen gegen häusliche Gewalt. Jetzt. Betroffene Frauen brauchen unkomplizierten und schnellen Zugang zu Hilfe und Versorgung. Die Gewaltprävention und die strafrechtliche Verfolgung der Täter müssen ebenfalls ausgebaut werden.“ Der Anstieg der häuslichen Gewalt sei alarmierend und müsse ein Weckruf für die Politik sein, die Gewalt einzudämmen. „Die einzige akzeptable Zahl ist Null.“

Im Rahmen der Veröffentlichung der Zahlen kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser an, an den Standorten der Bundespolizei rund um die Uhr geöffnete Hilfeschalter für von Gewalt betroffene Frauen einzurichten. Die dbb frauen Chefin sieht darin einen guten Anfang, allerdings mit hohem Ausbaubedarf. „Ausschließlich Schalter an den Standorten der Bundespolizei einzurichten, kann nur ein erster Schritt sein. Wir brauchen diese Anlaufstellen an allen Polizeistationen. Denn Zugänglichkeit und sofortiges Handeln sind entscheidende Faktoren im Kampf gegen Gewalt an Frauen.“ Ob und wie schnell Frauen Hilfe erhalten, dürfe nicht davon abhängen, wie weit ein Standort der Bundespolizei entfernt ist. Für die Zukunft erwarte sie eine langfristige, umfassende Strategie gegen Gewalt an Frauen sowie eine nationale Koordinierungsstelle.

Ein Viertel aller Frauen erlebt körperliche und/oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft. Obwohl die Istanbul-Konvention in Deutschland seit dem 1. Februar 2023 uneingeschränkt gilt, gibt es immer noch erhebliche Lücken in der effektiven Umsetzung. So werden nach der Konvention 21.100 Plätze in deutschen Frauenhäusern benötigt – aber nur 6.800 waren im Jahr 2022 vorhanden. „Diese Zahlen sind desolat“, kritisierte Kreutz. „Die Frauenhäuser müssen dringend ausgebaut werden. Frauen und ihre Kinder brauchen gerade in Zeiten von steigender Gewalt und Wohnungskrise einen sicheren Zufluchtsort.“ Zudem verschärfe die Inflationskrise die akute und beängstigende Situation vieler Tausend Frauen und Kinder im ganzen Land. „Denn finanzieller Stress gilt als bedeutender Risikofaktor für Konflikte und Gewalt in Familien. Ein gesamtgesellschaftlicher Schulterschluss ist unabdingbar, um Ursachen zu bekämpfen, anstatt nur Pflaster auf Symptome zu kleben.“

Gleichstellung könne nur erfolgen, wenn Frauen überall und in allen Lebensbereichen vor Gewalt geschützt sind, betonte Kreutz. „In diesem Jahr, in dem wir 75 Jahre Grundgesetz feiern, sollte uns das Gewicht des Satzes ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ bewusster sein denn je. Häusliche Gewalt ist ein klarer Verstoß gegen die Menschenwürde. Nur eine Gesellschaft, die Frauen schützt, schützt die Grundfeste ihrer Menschlichkeit.“ Es liege noch viel Arbeit auf dem Weg, aber die Entwicklungen im Innenministerium und in der EU geben wichtigen Rückenwind.

 

zurück