Digitalisierung in den Ämtern wird verschlafen
Silberbach: „Der Staat selbst ist systemrelevant“
Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach hat den Politikern in Bund, Ländern und Gemeinden erneut vorgeworfen, die Digitalisierung der Verwaltung zu verschlafen.
„Es rächt sich nun, dass viel zu lange der Primat des schlanken Staats galt“, so Silberbach gegenüber der Rheinische Post (Ausgabe vom 28. Mai 2020): „Jetzt stehen wir vor einem riesigen Scherbenhaufen“. Während in anderen europäischen Ländern die digitale Verwaltung längst Realität sei, müssten sich Bürger hierzulande immer noch trotz Corona-Pandemie zu oft in den ÖPNV setzen und aufs Amt fahren, anstatt ihr Anliegen sicher und ohne Ansteckungsgefahr vom heimischen PC aus zu erledigen.
Schuld ist nach Silberbachs Meinung unter anderem der schleppende Ausbau der digitalen Infrastruktur. „Neben dem Ausbau der Netze bedarf es auch ganz handfester Dinge vor Ort. Die IT in den Verwaltungen ist heillos veraltet.“ Erschwerend komme hinzu, dass durch die Corona-Pandemie Einnahmen der Kommunen wegbrächen: „Da fehlt schlicht das Geld, um eigene Rechnerkapazitäten aufzubauen. Vor der Krise hatten die Kommunen ein Infrastrukturdefizit von 140 Milliarden Euro. Diese Summe dürfte sich krisenbedingt nahezu verdoppelt haben“, sagte der dbb Chef. „Hier müssen Bund und Land ihre Kassen ganz weit aufmachen und nicht ausschließlich die Wirtschaft päppeln. Der Staat selbst ist systemrelevant.“
Erschwerend komme in Deutschland aber auch eine generelle Skepsis der Bevölkerung hinzu, dem Staat die für die Erledigung seiner Aufgaben notwendigen Daten zu überlassen. Silberbach: „Das Thema ist inzwischen ein echter Bremsklotz. Interessanterweise sind das oft die gleichen Menschen, die bedenkenlos bei Amazon, Zalando und Co. einkaufen und keine Bedenken gegen einem Whatsapp- oder Twitter-Account haben.“ Selbstverständlich müsse der Staat mit Daten sensibel umgehen. „Deshalb spreche ich mich klar für eine eigene deutsche Verwaltungs-Cloud aus“, so der dbb Chef.