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Arbeitsmarktpolitik

Potenziale der Frauen besser nutzen

Gegenwärtig fehlen rund 360 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst, Tendenz steigend. An allen Ecken und Enden mangelt es an geschultem Personal. Um gegenzusteuern, müssten die Potenziale von Frauen häufiger ausgeschöpft werden.

Die Auswirkungen sind praktischer Natur: Teilt etwa die Schule morgens mit, dass der Unterricht aufgrund hoher Krankenstände ausfällt, und es keine Betreuung gibt, stellt das Familien vor Probleme. Wenn Partner oder Partnerin nicht einspringen können, Großeltern zu weit weg wohnen und die Mutter selbst als Pflegekraft im örtlichen Krankenhaus arbeitet, bleibt nur, einen Kinderkrankentag zu nehmen. Und das, obwohl auch die Kolleginnen und Kollegen auf der Sta­tion am Rande der Belastungsgrenze arbeiten. Die überall klaffenden Personallücken setzen Behörden bei der Suche nach talentierten Nachwuchskräften unter Druck. Diskutiert wird im Lehrbereich zurzeit etwa ein Teilzeitverbot für Lehrkräfte. Ein äußerst paradoxer Lösungsvorschlag, wenn man bedenkt, dass viele Frauen den Lehrberuf gerade deshalb ergreifen, weil er die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gut ermöglicht. Fällt dieser Aspekt weg, verschärft sich der Lehrermangel weiter.

Die Lösung dieser systematischen Krise wird die Handlungsfähigkeit des Staates maßgeblich bestimmen und erfordert ein koordiniertes Vorgehen aller Beteiligten. Wir brauchen langfristige und nachhaltige Strategien zur Fachkräftegewinnung. Die gute Nachricht: Die Potenziale von Frauen sind in Sachen Erwerbstätigkeit noch längst nicht ausgeschöpft.

Fast 50 Prozent Teilzeitquote

Die deutsche Frauenerwerbstätigkeitsquote nimmt im europäischen Vergleich einen Platz im Mittelfeld ein: Allgemein liegen wir zwar im EU-Durchschnitt, aber mit 46,5 Prozent arbeitet nahezu jede zweite Frau in Deutschland in Teilzeit. Mit 30,5 Stunden arbeiten sie durchschnittlich rund vier Stunden pro Woche weniger als etwa Frauen in Schweden oder Frankreich. Neben kulturellen Faktoren wie der unterschiedlichen Sozialisation von Frauen und Männern spielen hier auch systematische Faktoren eine Rolle. Die Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern auf dem Arbeitsmarkt mutet mittelalterlich an, aber sie hat System. Sie manifestiert sich etwa im Gender Pay Gap, der Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern, in der Rentenlücke und in der mangelnden Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen und Gremien.

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat jüngst übrigens einen Meilenstein für mehr Einkommensgerechtigkeit zwischen Frauen und Männern gesetzt und klargestellt, dass Equal Pay durch das Gleichbehandlungsgesetz, das Entgelttransparenz­gesetz und das Grundgesetz ein nicht verhandelbares Grundrecht ist. Gleiche Bezahlung für gleiche Tätigkeiten ist wichtig, aber gleichwertige Bezahlung für gesellschaftlich wichtige Tätigkeiten ebenso. Trotz vieler gleichstellungspolitischer Errungenschaften wie dem Bundesgleichstellungsgesetz und dem Führungspositionengesetz bleibt die Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt in vielen Branchen hinter ihren Möglichkeiten zurück. Gefragt sind Politik, Dienststellen und Behörden gleichermaßen.

Stellschrauben effektiver drehen

In der Steuerpolitik verhindert zum Beispiel das Ehegattensplitting mit seinen hohen Grenzsteuersätzen für verheiratete Frauen mehr Beschäftigung. Insbesondere Mütter würden ihr Arbeitsangebot aufstocken, wenn sie höhere Nettolöhne erhielten. Pflegende Angehörige würden sich auf mehr Erwerbstätigkeit einlassen, wenn sie ihre Liebsten während ihrer Arbeitszeit gut betreut wüssten. Denn natürlich birgt die Aufstockung der Arbeitszeit mit einer besseren Altersvorsorge und verbesserten Möglichkeiten für berufliches Fortkommen Vorteile für Frauen. Das alles geht aber nur mit besseren Infrastrukturen für Kinderbetreuung und Pflege. Im öffentlichen Dienst müssen Anreize geschaffen werden, um mehr Frauen zu motivieren, dort eine Karriere anzustreben. Konkret muss sich das in Arbeitsbedingungen widerspiegeln, die für Frauen mit Familienverantwortung attraktiv sind: Mobile Arbeit, flexible Arbeitszeiten, flache Hierarchien, Job- und Topsharing-Modelle, Lebensarbeitszeitkonten und vieles mehr sind vielversprechende Stellschrauben, an denen deutlich weitergedreht werden muss. Die beschäftigungs­politischen Potenziale für Frauen sind enorm. Ohne einen Dreiklang aus flexiblen und leistungsorientierten Arbeitsmodellen, Durchlässigkeit und Diversität werden wir sie aber kaum heben können.

 

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