Neunter Altersbericht der Bundesregierung
Pflege darf nicht arm machen
Mit einer steigenden Zahl von Älteren, steigt auch die Zahl der von Armut betroffenen. Diese sind mehrheitlich Frauen. Die dbb frauen und die dbb senioren fordern zügiges Handeln.
Milanie Kreutz, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung und stellvertretende dbb Bundesvorsitzende kritisierte am 9. Januar 2025 die aktuelle Entwicklung: „Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von Jahrzehnten ungleicher Chancenverteilung. Wir brauchen endlich ein Rentensystem, das Sorgearbeit wertschätzt und nicht bestraft. Pflege darf nicht arm machen.“ Frauen tragen weiterhin das größte Risiko, im Alter von Armut betroffen zu sein. Ungleiche Entlohnung, unterbrochene Erwerbsbiografien durch Sorgearbeit und systematische Benachteiligung führen dazu, dass Frauen oft nur geringe Rentenansprüche haben. „Es ist höchste Zeit, dass wir Frauen in der Pflege systematisch entlasten“, appellierte die dbb frauen Chefin. „Der Altersbericht stellt fest, dass die Familienpflegezeit dringend mit Lohnersatzleistungen ausgestattet werden muss – das fordern wir schon seit Jahren. Und zwar so, dass diese auch wirklich existenzsichernd sind.“ Der neunte Altersbericht der Bundesregierung trägt den Titel „Alt werden in Deutschland - Vielfalt der Potenziale und Ungleichheit der Teilhabechancen“ und wurde am 8. Januar 2025 vom BMFSFJ vorgestellt.
Laut dem neuen Bericht wirkt sich unter anderem das Ehegattensplitting negativ auf die Erwerbstätigkeit von Frauen aus. Kreutz weiter: „Das Ehegattensplitting verfestigt ein Modell, das Frauen in Teilzeitjobs oder in die wirtschaftliche Abhängigkeit drängt und gehört endlich auf den Prüfstand. Wer heute an überholten Steuerprivilegien festhält, nimmt billigend in Kauf, dass Frauen im Alter arm bleiben.“ Am Ende mache es die Mischung, um die Altersarmut zu bekämpfen: „Wir brauchen einen Mix aus staatlicher Unterstützung, flexiblen Arbeitsmodellen und professionellen Diensten, um Frauen vor Überlastung zu schützen und sie im Alter finanziell sicher aufzustellen.“ Neben der demografischen Entwicklung und einer Prognose der Zunahme der Zahl Pflegebedürftiger auf bis zu 7,6 Millionen im Jahr 2055 konzentriert sich die Studie auf Diversität.
Gegen Ageismus – für mehr Generationengerechtigkeit
Ältere Menschen leben in Deutschland so vielfältig wie nie zuvor, bringen sich ein und sind aktiv bis ins hohe Alter. Allerdings müssen sie teils hohe Hürden überwinden, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, mahnt Horst-Günther Klitzing, Vorsitzender der dbb bundesseniorenvertretung: „Die derzeitige Sozialgesetzgebung, etwa die Regelungen zur Altenhilfe SGB XII, ist nicht dazu geeignet, gesellschaftliche Teilhabe Älterer zuverlässig zu ermöglichen. Dass der Altersbericht hier Reformen hin zu verbindlichen sozialen Standards und einer verlässlichen finanziellen Grundlage fordert, eröffnet Chancen auf mehr Generationengerechtigkeit.“
Der Bericht zeigt, dass Teilhabechancen sozial ungleich verteilt sind. Es bedarf besonderer Aufmerksamkeit, um gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe für alle älteren Menschen sicherzustellen. Klitzing betonte, dass das Schwerpunktthema Ageismus ein echter Gewinn für den Altersbericht sei. „Auf die oft versteckten kleinen Altersdiskriminierungen im Alltag hinzuweisen, schärft hoffentlich den Blick einer breiteren Öffentlichkeit. Ageismus findet an Supermarktkassen, im Straßenverkehr, bei Behördengängen und überall da statt, wo sich Alte und Junge begegnen. Die dbb bundesseniorenvertretung fordert deshalb schon seit langem, das Thema Barrierefreiheit im öffentlichen Raum wie in der digitalen Welt konsequent zu durchdenken und umzusetzen.“
Alt werden in Deutschland sollte bedeuten, das Leben so lange wie möglich nach den eigenen Vorstellungen gestalten zu können. Die scheidende Bundesseniorenministerin Lisa Paus sagte bei der Vorstellung des Berichts, dass es wichtig sei, das Erreichte in den kommenden Jahren weiter auszubauen. „Wer die materielle Lage Älterer verbessern will, sei es bei Rente, Gesundheitsversorgung oder Pflege, muss unbedingt berücksichtigen, dass er damit Jüngeren zukünftig Lasten zumutet“, so Klitzing.
Seit 1993 wird je Legislaturperiode ein Bericht zur Lage der Älteren in Deutschland veröffentlicht. Der jetzt vorgelegte Neunte Altersbericht hat als seniorenpolitisches Schwerpunktthema die Vielfalt der Lebenssituationen und die Teilhabemöglichkeiten von älteren Menschen in den Mittelpunkt gerückt. Der Bericht beleuchtet die Lebensbereiche materielle Sicherheit, Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, Gesundheit, Wohnen, Engagement, politische Beteiligung und soziale Beziehungen.
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