Einkommensrunde der Länder

Öffentlicher Dienst: Tausende Beschäftigte im Warnstreik

Bevor am 7. Dezember 2023 die voraussichtlich entscheidende dritte Runde der Verhandlungen über die Einkommen im öffentlichen Dienst der Länder beginnt, haben die Beschäftigten den Druck erneut erhöht.

Trotz Inflation und Fachkräftemangel weigert sich die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), die Einkommen im öffentlichen Dienst zu erhöhen. Tausende gingen deshalb auf die Straße und beteiligten sich an Warnstreiks, Demonstrationen und Kundgebungen. Sie fordern 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro höhere Einkommen pro Monat.

„In den vergangenen zwei Verhandlungsrunden hatten die Arbeitgebenden genug Gelegenheiten, uns ein Angebot vorzulegen. Statt Angebote zu bitter notwendigen Verbesserungen haben sie uns aber die kalte Schulter gezeigt“, erklärte der dbb Tarifchef Volker Geyer bei einer Großkundgebung vor 6.000 Teilnehmenden am 30. November 2023 in Stuttgart. „Wer Bildung, Sicherheit, Infrastruktur und Pflege will, muss die Menschen in diesen Bereichen auch angemessen bezahlen, statt an jeder Ecke zu sparen. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst halten Deutschland am Laufen.“

Kai Rosenberger, Landesvorsitzender des BBW - Beamtenbund Tarifunion, kritisierte die Konkurrenz innerhalb des öffentlichen Dienstes: „Beschäftigte, die für die Länder arbeiten, erhalten für dieselbe Tätigkeit weniger, als wenn sie für Bund oder Kommunen arbeiten würden. Die Länder müssen wieder attraktiv für Fachkräfte werden. Und das gelingt nur mit besserer Bezahlung, besseren Arbeitsbedingungen sowie unbefristeter Übernahme von Auszubildenden und Studierenden.“

In Berlin hatten zeitgleich Beschäftigte der Finanzverwaltung einen Warnstreik durchgeführt und vor dem Bundesrat demonstriert. Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach forderte die Länder auf, die Arbeit der Beschäftigten wertzuschätzen und ihnen den Anschluss an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst zu garantieren: „Unsere Kolleginnen und Kollegen sind es leid, als lästige Bittsteller behandelt zu werden. Sie sorgen mit ihrer Arbeit täglich dafür, Krisen zu meistern – und sie leisten in der Finanzverwaltung einen wesentlichen Beitrag für stabile Steuereinnahmen und fiskalische Rechtssicherheit.“ Mit Blick auf die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder appellierte der dbb Chef, das zu erzielende Tarifergebnis zeit- und wirkungsgleich auf den Beamtenbereich zu übertragen.

Florian Köbler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft DSTG, bekräftigte die absolute Notwendigkeit eines starken linearen Tarifabschlusses: „Das Zögern der Arbeitgeberseite ist brandgefährlich für Deutschland in Zeiten rasant steigenden Fachkräftemangels. Der Umgang mit den Beschäftigten der Finanzverwaltung ist blanker Hohn. Was ist es für ein Zeichen, wenn der Staat exzellent ausgebildete Beschäftigte so bezahlt, dass sie Wohngeld beantragen müssen? Das ist perfide!“

In Nürnberg zogen am 29. November 2023 über 3.000 Mitglieder aus den Fachgewerkschaften des bayerischen Beamtenbundes in zwei Demonstrationszügen durch die Innenstadt, um für ihre Forderung einzutreten. Der dbb Tarifchef Volker Geyer war auch hier vor Ort und sagte bei der Abschlusskundgebung: „Was die Länderarbeitgeber uns bisher bei den Verhandlungen in Potsdam bieten, ist keine Wertschätzung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, das ist eine Unverschämtheit. Außerdem ist es selbstzerstörerisch und kurzsichtig. Wie wollen die Länder denn auf dem immer härter umkämpften Arbeitsmarkt bestehen, wenn sie bei der Bezahlung jetzt sogar signifikant hinter Bund und Kommunen zurückfallen - von der Privatwirtschaft ganz zu schweigen?“

Rainer Nachtigall, Vorsitzender des BBB – Bayerischer Beamtenbund, forderte den Freistaat auf, „seiner Vorreiterrolle im Beamtenrecht auch im Tarifbereich gerecht zu werden und im Kreis der Bundesländer auf einen angemessenen Abschluss hinzuwirken“. Als starkes Land dürfe sich Bayern nicht allein von den finanziell schwächer gestellten den Ton vorgeben lassen. Er dankte außerdem dem bayerischen Finanzminister Albert Füracker für die Zusage, das Tarifergebnis zeit- und wirkungsgleich auf den Beamtenbereich zu übertragen. „Froh wird man damit aber nur, wenn die Beträge stimmen“, so Nachtigall.

„Wir lassen nicht locker. Unser Protest gegen die Blockadehaltung der Arbeitgeber geht weiter“, machte dbb Landeschef Ulrich Stock am selben Tag auf der Mittagsdemo vor 150 Beschäftigten in Halle deutlich. „Die Länder sind auf dem Arbeitsmarkt nicht konkurrenzfähig – nicht zur Privatwirtschaft und nicht einmal zu Bund und Kommunen. Der öffentliche Dienst wird seit Jahren auf Verschleiß gefahren. Es wird weder in das Personal noch in deren Arbeitsbedingungen investiert. Aber nur wer gut bezahlt, bekommt auch gute Leute. Und die braucht der öffentliche Dienst dringender als je zuvor.“

Am 28. November 2023 fanden insbesondere im Osten Aktionen statt: In Schwerin, Erfurt und Leipzig demonstrierten Beschäftigte. Michael Blanck, Vorsitzender der dbb Landestarifkommission Mecklenburg-Vorpommern, sagte bei der Kundgebung von 2.000 Menschen in Schwerin: „Die Arbeitgebenden haben den Ernst der Lage nicht erkannt. Überall klaffen Personallücken. Um das zu ändern, muss der öffentliche Dienst wieder konkurrenzfähig werden. Und dafür ist das Einkommen eine zentrale Stellschraube. Ohne Lehrkräfte keine Bildung. Ohne Polizei keine Sicherheit. Ohne Straßenwärter keine Sicherheit auf unseren Straßen. Ohne Unikliniken keine medizinische Versorgung. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Fakt ist: Öffentliche Dienstleistungen gibt es nicht zum Nulltarif.“

In Leipzig hatten etwa 7.000 Landesbeschäftigte aus dem Bildungssektor ihre Arbeit niedergelegt. Steffen Winkler, stellvertretender Landesvorsitzender des Beamtenbund und Tarifunion Sachsen (SBB) und Mitglied des Sächsischen Lehrerverbandes, machte deutlich: „Seit Jahren hinkt der Tarifvertrag der Länder dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst hinterher. Das Zeichen, das so an die Landesbeschäftigten gesendet wird, ist fatal. Sie sind nicht weniger wert als die Kolleginnen und Kollegen bei Bund und Kommunen: Auch sie leisten wichtige Arbeit und auch sie verdienen ordentliche Anerkennung.“

In Thüringen hatten sich ebenfalls insbesondere Beschäftigte aus Bildungsberufen an einem landesweiten Warnstreik und einer Kundgebung vor dem Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) in Erfurt beteiligt. Die Streikenden ermahnten den anwesenden Bildungsminister Holter, für einen erfolgreichen Abschluss der Tarifverhandlungen und ein verhandelbares Arbeitgeberangebot bei der Finanzministerin zu werben. „Der öffentliche Dienst ist nichts ohne seine Beschäftigten“, mahnte Uwe Allgäuer, stellvertretender Vorsitzender des Thüringer Beamtenbundes. „Höhere Gehälter sind ein Schlüssel, um qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den öffentlichen Dienst zu gewinnen und auch zu halten“.

Nachhaltigkeit in der Sozialarbeit, das geht nur mit Wertschätzung seitens der Arbeigebenden – das machten DBSH-Mitglieder am 28. November 2023 in Berlin deutlich. Ein starkes und soziales Berlin gebe nur mit Mitarbeitenden, die gesund und motiviert sind, gerne zur Arbeit kommen und sich langfristig an ihren Arbeitgeber binden. „Unsere Arbeitgebenden haben bislang nicht verstanden, dass keine Schlange vor deren Türe steht, um unter diesen katastrophalen Bedingungen zu arbeiten“, sagte Verena Bieler, 2. Vorsitzende des DBSH, Landesverband Berlin.

Am 27. und 28. November 2023 demonstrierten Mitglieder des Berufsschullehrerverbandes LVBS und anderer Gewerkschaften am Beruflichen Schulzentrum „Friedrich Siemens“ in Pirna und am BSZ „Anne Frank“ in Plauen. Dirk Baumbach, 1. Vorsitzender des LVBS, und bekräftigte gemeinsam mit den Beschäftigten die Tarifforderungen.

Für den 1. Dezember 2023 hat die Deutsche Polizeigewerkschaft in Berlin zu einem Warnstreik und einer Kundgebung vor dem Roten Rathaus aufgerufen. „Wir sehen uns gezwungen, unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen", sagt Boris Biedermann, 1. stellvertretender Landesvorsitzender der DPolG Berlin.

Hintergrund:

Von den Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sind etwa 3,5 Millionen Beschäftigte betroffen: direkt ca. 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte der Bundesländer (außer Hessen), indirekt ca. 1,4 Millionen Beamtinnen und Beamte der entsprechenden Länder und Kommunen sowie rund eine Million Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger. Zwei Verhandlungsrunden endeten ergebnislos, eine dritte wurde für den 7. bis 9. Dezember 2023 vereinbart.

 

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