13. Frauenpolitische Fachtagung
Frauen 4.0 – Diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst
Bei der 13. Frauenpolitischen Fachtagung der dbb bundesfrauenvertretung am 11. Mai 2017 präsentierten hochrangige Expertinnen und Experten im dbb forum berlin Antworten auf die komplexe Frage, weshalb weibliche Beschäftigte auch im öffentlichen Dienst beruflich stärker benachteiligt werden als ihre männlichen Kollegen. „Würden die gesetzlichen Vorgaben konsequent umgesetzt, so müssten Frauen gleiche Aufstiegs- und Karrierechancen wie Männer haben und Teilzeitkräfte dieselben wie Vollzeitkräfte“, machte die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung Helene Wildfeuer vor den rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern deutlich.
Eine geschlechterbedingte Lohnlücke dürfte es im öffentlichen Dienst eigentlich gar nicht geben, sagte Helene Wildfeuer in ihrer Auftaktrede: „Fakt sind hier aber sechs Prozent!“ Insbesondere mit Blick auf das Konzept Arbeiten 4.0 forderte die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung eine Abkehr von der männlich geprägten Präsenzkultur. „In der digitalen Arbeitswelt sind mobile, agile Arbeitskräfte gefragt, die teamfähig, kreativ und technikaffin sind sowie in komplexen Zusammenhängen denken und kommunizieren können. Arbeitssoziologen sehen hier eindeutig einen Vorteil für Frauen. Ein solches Arbeiten bildet die derzeitige Beurteilungs- und Beförderungspraxis im öffentlichen Dienst kaum ab.“
Wildfeuer: Leistung von Frauen aufwerten
An diesem Punkt sieht die dbb bundesfrauenvertretung die Dienstherren in der Pflicht, die Beurteilungszeiträume lebensphasenorientiert fortzuentwickeln; beispielsweise über die Verankerung eines Anspruchs auf Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs im Wege der fiktiven Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung während einer Elternzeit. „Auf diese Weise wird verhindert, dass die Leistungen von Frauen mit Ausfallzeiten in Freistellungsphasen im Vergleich zu ihren Kollegen abgewertet werden“, stellte Wildfeuer heraus und forderte, das Beförderungssystem im öffentlichen Dienst grundlegend zu reformieren. „Die Beurteilungspraxis geht von einem idealtypischen Erwerbsverlauf aus, wie ihn in der Regel Männer vorweisen – basierend auf einer stetigen Laufbahnentwicklung mit einer durchgängigen Erwerbsbiografie und einer dauerhaften Vollzeitbeschäftigung. Erwerbsunterbrechungen, wie sie derzeit für weibliche Lebensverläufe typisch sind mit Elternzeiten, Pflegezeiten, längeren Phasen der Teilzeit- und Telearbeit, werden als ‚Abweichung von der Norm‘ angesehen und dementsprechend auch bewertet. Und das hat nun einmal gravierende Folgen für das berufliche Fortkommen.“
Besondere Brisanz erlange die Debatte um die diskriminierungsanfällige dienstliche Beurteilung hinsichtlich der Nachwuchsgewinnung im öffentlichen Dienst. „Betrachtet man die Abschlussnoten der Berufseinsteigerinnen und -einsteiger im öffentlichen Dienst, sind es vor allem die jungen Frauen, die Bestnoten abrufen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Kompetenz schlagartig verpufft, wenn diese Frauen Mütter werden und ihre Arbeitszeit für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zeitweise absenken“, kritisierte die Vorsitzende.
Aus Mangel an weiblichen Führungskräften seien es vor allem noch immer überwiegend Männer, die die Arbeitsleistung der Beschäftigten beurteilten. „Diese Beurteilenden agieren – auch als Familienväter meist ohne wesentliche zeitliche Unterbrechungen ihrer eigenen Erwerbsverläufe – subjektiv wertend aus ihrer Lebenswirklichkeit heraus als Beurteilende.“ Um dem beizukommen, müssten beurteilende Führungskräfte stärker sensibilisiert und geschult werden. „Die konsequente Vermittlung von Genderbewusstsein für Beurteilende sehen wir als Pflicht der obersten Dienstherren. Gendererfolge müssen zum eigenständigen Bewertungskriterium werden, wenn die Führungskräfte selbst beurteilt werden“, sagte Wildfeuer.
Dauderstädt: „Linker Haken“ für Frauen
dbb Chef Klaus Dauderstädt machte in seinem Grußwort deutlich, dass der öffentliche Dienst verstärkt auf einen Wandel der Führungskultur hinarbeiten müsse, um mehr Berufsnachwuchs zu gewinnen. „Der öffentliche Dienst beklagt einen massiven Fachkräftemangel. Vor diesem Hintergrund wird besonders um junge, gut ausgebildete Frauen geworben, die die Lücke stopfen sollen. Allerdings steht diesen Bemühungen ein überholtes Beurteilungs- und Beförderungswesen entgegen. Es verpasst den jungen Frauen, wenn sie für die Familie zeitweise zurückstecken, einen linken Haken und verschiebt sie dauerhaft aufs berufliche Abstellgleis“, kritisierte Dauderstädt. „Hier muss die Politik dringend handeln.“
Der dbb Chef verwies in diesem Zusammenhang auch auf die aktuelle Situation im Landesdienst Nordrhein-Westfalens. Dort sollen Frauen seit dem 1. Juli 2016 bei einer „im Wesentlichen gleichen Eignung“ im Vergleich zu männlichen Konkurrenten bevorzugt befördert werden, was jedoch juristisch umstritten ist. Vor solchen Rechtsunsicherheiten hatte der zuständige dbb Landesbund bereits im Vorfeld gewarnt. „Der politische Wille, Frauen in Spitzenpositionen zu befördern, stößt an die Grenzen eines verkrusteten, über viele Jahre gewachsenen Verfahrens.“ Gleichzeitig werde deutlich, wie wichtig es sei, mit den Beschäftigten in Dialog über eine zukunftsfähige Neugestaltung der Beförderungs- und Beurteilungspraxis zu kommen und zu bleiben. „Denn Leistung ist keine Frage des Geschlechts“, stellte Dauderstädt fest.
Battis: Vorreiter mit Schwächen
Der Rechtswissenschaftler Prof. em. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis legte den Fokus seines Impulsvortages auf die geschlechterspezifische Diskriminierungsproblematik des öffentlichen Dienstrechts. Seine These: Das Dienstrecht ist weniger diskriminierend als das allgemeine Arbeitsrecht. Beispielsweise gebe es im Beamtenbereich die Möglichkeit für Frauen, vorzeitig auf eine Vollzeitstelle zurückzukehren, Frauen in Führungspositionen auf Teilzeitstellen seien kein Widerspruch und insgesamt habe die Gleichstellungspolitik des öffentlichen Dienstes seit Ende der 80er Jahre Vorreitercharakter. In der Praxis aber werde „vieles, was in den Gesetzen steht, nie erreicht.“
Zwar sei zum Beispiel das Beurteilungswesen als solches nicht diskriminierend. Trotzdem leide es unter strukturellen Schwächen, da etwa typisch männliche Kriterien wie Belastbarkeit, Durchsetzungsfähigkeit sowie eigenschaftsbezogene und verhaltensbezogene Kriterien oft Vorrang vor aufgaben- und ergebnisbezogenen Beurteilungskriterien hätten. „Das sind Kriterien von Männern für Männer“, konstatierte der Experte. Zudem werde Teilzeit auch im öffentlichen Dienst oft negativ bewertet, und das Beamtenrecht orientiere sich in der Praxis zu sehr am „Althergebrachten, am Bestehenden. Ihm fehlt die Diversität“, so Battis. Diese Erkenntnis spiegele sich auch an der extrem hohen Zahl von Klagen gegen dienstliche Beurteilungen. Auch sogenannte Konkurrentenklagen bei Beförderungen häuften sich: Nicht nur von Frauen gegen Männer, sondern auch umgekehrt von Männern gegen die Bevorzugung von Frauen.
Letztlich stehe und falle die Umsetzung der Gleichstellungspolitik im öffentlichen Dienst mit der Qualität des Beurteilungswesens und seiner Umsetzung, erläuterte Battis und untermauerte dies mit einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom Februar 2017: Die Richter halten es für rechtlich unbedenklich, wenn neben dem Leistungsbild eine stärkere Gewichtung der Befähigungsmerkmale sowie der Eignung im engeren Sinne bei der Bildung des Gesamturteils stattfindet. „Unter dieser Voraussetzung wird mancher Frau, die trotz ihrer Doppelbelastung ihre dienstlichen Aufgaben ähnlich gut oder nicht wesentlich schlechter als ein vergleichbarer männlicher Kollege erfüllt hat, eine ebenso gute oder auch bessere Qualifikation zu bescheinigen sein“, heißt es dort. All das sei weitgehend eine Frage der Beurteilungspraxis, die entscheidend durch die Grundhaltung der unmittelbaren Dienstvorgesetzten und ihrer Hilfsperson geprägt werde. Auch die weiteren Dienstvorgesetzten, insbesondere die obersten Dienstbehörden, notfalls auch der Gesetz- und Verordnungsgeber, könnten hier – etwa durch entsprechende Beurteilungsrichtlinien – steuernd eingreifen. „In diesem Urteil steht alles drin, man muss einfach damit ernst machen“, so Battis.
Jochmann-Döll: Die Macht der Normen
„Die Beurteilung von Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, bei dem subjektive Wahrnehmungen ausschlaggebend sind.“ Mit dieser Hypothese stimmte die promovierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerin Andrea Jochmann-Döll auf ihre „Anmerkungen zur Leistungsbeurteilung im öffentlichen Dienst“ ein. Wer glaube, nach den vorgegebenen Kriterien „Leistung, Eignung und Befähigung – und unabhängig vom Geschlecht!?“ – so der Titel ihres Vortrags – zu einem objektiven Urteil gelangen zu können, ignoriere, dass Leistung in unserem gesellschaftlichen Kontext als soziales Verteilungsprinzip empfunden wird, dessen Maßstäbe und Bezugsgrößen ständig neu verhandelt werden. „In diesem Prozess spielen Machtverhältnisse, Interessenkonstellationen, Werte, Normen und Überzeugungen eine ebenso große Rolle wie Geschlechterstereotype. Deshalb wird immer auch zwischen Frauen-Leistung und Männer-Leistung unterschieden werden“, machte die Beraterin mit dem Schwerpunkt diskriminierungsfreie Gestaltung von Entgeltsystemen, die das Forschungs- und Beratungsbüro GEFA (Gender, Entgelt, Führung, Arbeit) leitet, deutlich.
Um die subjektiven Einflüsse und die damit verbundene, mögliche Prägung durch Stereotype, Vorurteile und vorgefasste Meinungen in den Beurteilungsverfahren zurückzudrängen, sei es notwendig, das Verfahren stärker zu strukturieren und zu systematisieren. „Kennzahlenverfahren, aufgabenbezogene Bewertung und Zielvereinbarungen sind nach unseren Untersuchungen weniger störanfällig als freie Verfahren der Leistungseinschätzung und merkmalorientierte Beurteilungsverfahren“, erläuterte Jochmann-Döll. Auch sei es seriöser auf ergebnisorientierte Kriterien zu setzen als auf eigenschaftsbezogene, weil letztere viel objektiver seien. „Termineinhaltung lässt sich besser belegen als Pünktlichkeit und Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit sind wesentlich konkreter zu bewerten als die weit auslegbaren Begriffe Kreativität und Initiative. Auch sollten Kriterien wie Flexibilität als Bereitschaft zu ungeplanter zeitlicher Beanspruchung oder Arbeitseinsatz als ständige Verfügbarkeit und dauerhafte Präsenz am Arbeitsplatz vermieden werden, da sie Beschäftigte mit familiären Verpflichtungen von Beginn an abwerten.“
Der Weg zu gerechteren Leistungsbeurteilungen führt nach Auffassung der Wissenschaftlerin über gezielte Maßnahmen der öffentlichen Arbeitgeber zur Förderung der Gleichstellung. Die Prinzipien des Gender Mainstreaming und der Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf müssten als Bestandteile der Führungskultur der Verwaltung oder des Unternehmens von den Führungskräften vorbildhaft vorgelebt und top-down – von oben nach unten – weitergegeben werden. So werde ein Sensibilisierungsprozess in Gang gesetzt, der Raum schaffe für mehr Transparenz und Objektivität.
Spörrle: Starke Psychologische Komponenten
Wie das Unterbewusstsein die Beurteilungssysteme manipuliert und verzerrte Entscheidungen zutage fördert, erläuterte Dr. Matthias Spörrle, Professor für Wirtschaftspsychologie unter anderem an der TU München und der Privatuniversität Schloss Seeburg (Österreich) in seinem Beitrag. Sollten bei der Beurteilung von Leistung und Potenzial eigentlich ausschließlich Leistungs- und Potenzialindikatoren berücksichtigt werden, sei genau dies nicht der Fall. „Weitere Hinweisreize, verbunden mit den entsprechenden Stereotypen, die bei jedem Menschen dazu gespeichert sind, beeinflussen unser Urteil systematisch“, machte Spörrle deutlich. Merkmale wie Alter, Geschlecht, Aussehen und Sympathie würden automatisch aufgenommen und mit positiven oder negativen Konnotationen belegt; beispielsweise dergestalt, dass einem Mann unbesehen Führungsqualitäten zugesprochen werden, weil er eben ein Mann ist, oder einer kompetenten Frau in Führungsposition jegliche Fähigkeit zu emotionaler Wärme und Empathie abgesprochen werden, weil dies in der Welt der Stereotype einfach nicht zusammengehen kann.
Zwar seien Menschen in der Lage zur analytischen und reflektierten Betrachtung dieser Problematik, „doch wir tun das einfach nicht gerne, das ist zu komplex“. Besonders in wenig standardisierten und ressourcenknappen Situationen – beispielsweise einer dienstlichen Beurteilungssituation – bevorzuge die menschliche Psyche „Denkabkürzungen: Assoziatives Denken in Kategorien spart Energie und ermöglicht soziale Gruppenbildung, verursacht aber auch Diskriminierung und Ungleichbehandlung“, machte Spörrle deutlich. Einen Ausweg aus den möglicherweise zu unfairen Beurteilungen führenden Denkabkürzungen sieht Spörrle weniger in individueller Denkkritik („Aufklärung ist notwendig, aber nicht hinreichend!“) als vielmehr in der Schaffung standardisierter, stereotypensicherer Prozesse: Neben strengen Antidiskriminierungsregularien, also einem juristischen Gerüst, brauche es eine grundsätzliche Entschleunigung der Beurteilungsverfahren, die strikt auf Begründung basieren müssten. „Stereotypenbasiertes Bewerten und Entscheiden muss durch eine Neuorganisation der Verfahren erschwert, bestenfalls verhindert werden“, so Spörrle. Über derart neu gestaltete Prozesse könne dann langfristig auch das gesamtgesellschaftliche Denken und Handeln mit Blick auf den Umgang mit Stereotypen und ihre Wirkungen verändert werden, zeigte sich der Psychologe in der anschließenden Diskussionsrunde überzeugt.
Zustimmung gab es für diese Einschätzung auch von Gender-Forscherin Andrea Jochmann-Döll und dem Verwaltungsrechts-Experten Ulrich Battis: Gesetze alleine würden die Diskriminierungsprobleme im Beurteilungswesen niemals lösen, entscheidend seien Umsetzung und Gestaltung der Verfahren vor Ort – Battis: „Die Menschen müssen das Recht anerkennen und leben!“ Und im Übrigen müssten insbesondere Vorgesetzte danach beurteilt werden, wie sie Geschlechtergerechtigkeit in ihrer Verwaltung realisierten, forderte Battis. dbb frauen-Chefin Helene Wildfeuer betonte, dass Betroffene auch mutiger bei der Sanktionierung von Diskriminierungstatbeständen bei dienstlichen Beurteilungen werden müssten. „Es gibt sehr wenige Klagen gegen dienstliche Beurteilungen, auch sehr wenige Konkurrentenklagen, insbesondere von Frauen“, berichtete Wildfeuer. Dies müsse geändert werden, um den Betroffenen zu helfen, mehr Rechtsklarheit zu schaffen und über die Rechtsprechung zudem die Verfahrensgestaltung zu optimieren.
Podium: Flexibilität ist das Gebot der Stunde
„Nach 111 Jahren Diskussion um gerechte Bezahlung und zehn Jahren Equal Pay Day in Deutschland möchte ich heute mit Ihnen von der langsamen Fortschritts-Schnecke auf die schnellere Fortschritts-Schildkröte umsteigen: Wenn wir Lohngerechtigkeit endlich erreichen wollen, brauchen wir deutlich mehr Tempo – also lassen Sie uns die Schildkröte satteln!“ Mit diesem impulsiven Appell leitete die Wirtschaftswissenschaftlerin Henrike von Platen, die sich seit vielen Jahren für Lohngerechtigkeit und die Vernetzung von berufstätigen Frauen in aller Welt einsetzt, die von der TV-Journalistin Ines Arland moderierte Podiumsdiskussion ein. „Das Prinzip ‚gleiches Geld für gleiche Arbeit für Männer und Frauen‘ würde eine wesentliche Ursache der Diskriminierung berufstätiger Frauen auf einen Schlag beseitigen“, erklärte von Platen, die 2016 das „FairPay-Bündnis“ initiiert hat.
Christine Morgenstern, Leiterin der Abteilung Gleichstellung im Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend stellte fest: „Wir haben eine lange Tradition von Geschlechterstereotypen, die Deutschland über Jahrzehnte geprägt haben, noch immer nicht aus den Köpfen vieler Menschen holen können.“ Um das zu erreichen, müsse eine neue Wahrnehmungskultur entwickelt werden, „an der alle gesellschaftlichen Gruppen mitwirken müssen.“ In diesem Zusammenhang bewertete Morgenstern die Gleichstellungsgesetzgebung des Bundes und der Länder als wichtige Leitlinien, den öffentlichen Dienst in die neue Zeit zu überführen: „Der öffentliche Dienst ist – auch dank der dort praktizierten Gleichstellungsregeln – ein attraktiver Arbeitgeber. Wir haben schon gute Strukturen, Benachteiligungen zu vermeiden oder zumindest auszugleichen. Wir haben aber noch viel Luft nach oben, bis wir am Ziel sind.“
Für Prof. Dr. Hans Hofmann, Abteilungsleiter Z im Bundesministerium des Innern, war klar, dass das Beurteilungswesen einen stärkeren Fokus auf die Berücksichtigung von Familienarbeit legen muss, die immer noch meist von Frauen getragen wird. Aus Kinderbetreuung und Pflege resultierende Fehlzeiten dürften keinen negativen Niederschlag in der Beurteilungspraxis finden: „Das Problem ist hier nicht das Dienstrecht, sondern seine Anwendung“. Die Einkommenslücke, die auch im öffentlichen Dienst immer noch zwischen Frauen und Männern bestehe, sei in erster Linie ein Resultat solcher geschlechterbedingter Fehlzeiten. „Das schmerzt mich sehr, und daher bin ich der Auffassung, dass Frauenförderung eine Führungsaufgabe ist“, so Hofmann. Dazu gehöre es, dass Dienstherren alle gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten ausschöpfen, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit die Frauenförderung angehe. Es habe in diesem Bereich Gesetze mit Signalwirkung gegeben, „der Schlüssel liegt in ihrer konsequenten Anwendung, und die Dienstherren sind gut beraten, alle zur Verfügung stehenden Instrumente zum Einsatz zu bringen, um das Potenzial der Frauen zu heben.“ Dazu müssten Vorgesetzte noch besser im Beurteilungswesen geschult werden, damit zum Beispiel Beurteilungskriterien frauenspezifisch angepasst werden könnten. Im Bundesministerium des Innern gehe man diesen Weg konsequent, indem die Vorgaben, an deren Setzung man selbst beteiligt sei, auch eingehalten würden. Unter anderem erlaube es die dortige Arbeitszeitregelung, bis zu 24 Tage pro Jahr mobil zu arbeiten. Moderne Teilzeitmodelle und eine Einstellungsquote von rund 50 Prozent Frauen sowie ein Anteil von 40 Prozent Referatsleiterinnen seien ein guter Indikator dafür, dass dies im BMI auch gelinge. Für die Zukunft wünscht sich Hofmann im öffentlichen Dienst einen Kulturwandel bei der Bewertung von Teilzeitarbeit und mobilen Arbeitsmodellen.
Roland Staude, Landesvorsitzender des DBB NRW, bewertete den Konflikt im Landesdienst Nordrhein-Westfalen, wo Frauen seit dem 1. Juli 2016 bei einer „im Wesentlichen gleichen Eignung“ im Vergleich zu männlichen Konkurrenten bevorzugt befördert werden, als „juristisch umstritten“. Das Ziel der Landesregierung sei zwar grundsätzlich richtig, „der Weg ist das Problem: Frauenförderung kann man nicht gesetzlich verordnen, weil das gegen das Prinzip der Bestenauslese verstößt. Problematisch sind auch die Beurteilungen. Besser gewesen wäre es, die Laufbahnverordnung oder die Beurteilungsrichtlinien zu ändern“, so Staude. Darüber hinaus hätten die Beschäftigten grundsätzlich einen Anspruch auf eine rechtlich belastbare Regelung. „NRW muss jetzt schnell Rechtssicherheit schaffen.“
Wilhelm Hüllmantel, ehemaliger Leiter der Abteilung Recht des öffentlichen Dienstes und Personalverwaltung im bayerischen Finanzministerium konstatierte, dass Dienstherren, die Frauen nicht fördern, sich selbst schaden: „Bei Nachwuchsjahrgängen sind oft über 50 Prozent Frauen vertreten, die oft auch die besseren Leistungen bringen.“ Nach der Familienphase seien sie aber oft „hinten dran. Damit schöpfen Dienstherren vorhandene Talente und Potenziale nicht aus“, so Hüllmantel. Probleme bei der Frauenförderung lägen zuerst in den Köpfen der Entscheider, weniger in den zu Grunde liegenden Gesetzen. Außerdem pflege die Verwaltung immer noch eine zu starre Präsenzkultur, statt auf flexible Arbeitszeitmodelle und vor allem Arbeitsortmodelle und eine neue Beurlaubungskultur zu setzen.
In ihrem Schlusswort betonte Helene Wildfeuer die Notwendigkeit, das Spannungsverhältnis zwischen den gesetzlichen Grundlagen und der gelebten Praxis im diskriminierungsfreien beruflichen Fortkommen aufzulösen, um zum Beispiel geschlechtergerechte Beurteilungen zu erreichen. „Letztlich geht es auch bei der Beförderungspraxis um Geld, um gerechtere Einkommen. Es ist nun an der Politik, endlich aktuelle Zahlen und Statistiken zur Lohnlücke im öffentlichen Dienst vorzulegen und die Ursachen zu analysieren. Auch bei Arbeitszeitmodellen müssen neue Wege beschritten werden, denn Vollzeit als Normzeit ist ‚out‘.“ Gerade Nachwuchskräfte forderten eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf: „Nur der Wandel ist verlässlich, dem darf sich der öffentliche Dienst nicht verschließen. Entscheidend ist, dass alle Beteiligten die Angst vor dem digitalen Wandel überwinden.“