75 Jahre Grundgesetz
Damals wie heute: Wir brauchen mutige Kämpferinnen für die Gleichberechtigung
Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz verabschiedet. Es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen und die nächsten Schritte für die Gleichberechtigung von Frauen zu diskutieren.
„75 Jahre Grundgesetz: Das ist ein Meilenstein für Frauenrechte und die Demokratie im Allgemeinen“, betonte Milanie Kreutz, stellvertretende dbb bundesvorsitzende und Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung am 23. Mai 2024. „In Artikel 3 Absatz 2 ist die Gleichberechtigung von Frauen und Männern festgeschrieben. Dazu brauchte es mutige Kämpferinnen, die sich in dem von Männern dominierten parlamentarischen Rat durchsetzten: Elisabeth Selbert, Helene Weber, Friederike Nadig und Helene Wessel – Die ‚Mütter des Grundgesetzes‘ spielten eine zentrale Rolle bei der Verankerung der Gleichberechtigung im Grundgesetz.“
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ - Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes in seiner Fassung von 1949
In den 75 Jahren seit Einführung des Grundgesetzes gab es viele Errungenschaften und Fortschritte auf dem Feld der Gleichstellung. Denn obwohl die Gleichberechtigung von Frauen und Männern von Beginn an im Grundgesetz festgeschrieben war, wurde sie erst Jahrzehnte danach Stück für Stück umgesetzt: „Frauen dürfen erst seit 1958 ohne die Zustimmung ihres Ehemanns ein Konto eröffnen, eigenes Geld besitzen und arbeiten gehen“, erklärte Kreutz „Den gesetzlichen Mutterschutz für berufstätige Frauen gibt es erst seit 1968. Heute sehen wir diese Errungenschaften als selbstverständlich an, aber wir müssen stets wachsam bleiben: Das Rad der Zeit lässt sich nämlich leichter zurückdrehen als uns lieb ist.“ Rechte Bewegungen haben kein Interesse an Frauenrechten, Gleichstellung, Gleichberechtigung und Demokratie im Allgemeinen, machte Kreutz deutlich. „Im Gegenteil, in ihren Wahlprogrammen und ihrer Rhetorik finden sich Punkte, diese mühsam erkämpften Rechte wieder zunichtezumachen. Die Verteidigung der Demokratie ist unmittelbar mit der Verteidigung von Frauenrechten verbunden.“
„Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ -
Erweiterung von Artikel 3 Absatz 2 von 1994
In diesem Jahr feiert auch die Ergänzung des Gleichberechtigungsartikels einen runden Geburtstag. Kreutz weiter: „Unser Grundgesetz garantiert Gleichberechtigung, doch echte Gleichstellung ist darin nur als Fördermaßnahme skizziert. Unser Ziel muss es sein, diese Förderung zur Selbstverständlichkeit zu machen. Denn Gender Pay Gap, Gender Care Gap, Gender Pension Gap und Gewalt gegen Frauen sind immer noch weitläufig verbreitete Probleme, die Frauen das Leben erschweren und große Hürden auf dem Weg zur tatsächlichen Gleichberechtigung darstellen.” Auch Frauen in Führungspositionen seien deutlich unterrepräsentiert, das gelte für den öffentlichen Dienst wie für die Privatwirtschaft, im Ehrenamt und in der Politik. Die dbb frauen und das BMFSFJ fördern daher die Entwicklung und Manifestierung von Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst mit dem Modellprojekt ‚Führen in Teilzeit‘. „Wir müssen Frauen gezielt in allen Lebensbereichen fördern. Geschlechterstereotype müssen aktiv bekämpft werden. Die Gesellschaft muss Rollenklischees in Schulen und am Arbeitsplatz abbauen. Die Politik muss die Angebote zur Kinderbetreuung ausbauen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, damit sich Frauen nicht mehr zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen. Vor allem aber müssen wir Frauen besser vor Gewalt schützen“, forderte Kreutz.
„So wie Elisabeth Selbert und ihre Mitstreiterinnen damals brauchen wir auch heute couragierte und engagierte Frauen, die sich für Demokratie und Gleichstellung einsetzen“, hob die dbb frauen Chefin hervor. Frauenrechte und Gleichstellung seien keine Selbstläufer. „Die Mütter des Grundgesetzes mussten sich durchsetzen und auch heute stehen der Erhalt und Ausbau der Gleichstellung unter zunehmendem Beschuss von autokratischen und rückwärtsgewandten Kräften.” Kreutz appelliert: „Werden Sie in Gewerkschaften, Politik oder in anderen Organisationen aktiv, um die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben. Der Kampf ist noch lange nicht vorbei. Gemeinsam können wir eine Gesellschaft schaffen, in der Frauen und Männer nicht nur auf dem Papier, sondern wirklich gleichberechtigt sind!“