Review
Claudia Goldin: Karriere & Familie – Der jahrhundertlange Weg der Frauen zu mehr Gleichberechtigung
„Gierige Arbeit“ nagt seit Generationen an den Bemühungen für mehr Gleichstellung. Wirtschaftsexpertin Goldin skizziert diese Generationen und versucht, die Gier aus der Arbeit zu nehmen.
Goldin beschreibt die Geschichte der Gleichstellung in Amerika in fünf Etappen. Sie begleitet fünf Gruppen aus unterschiedlichen Generationen und ordnet ihre Lage und ihre Beiträge in der Geschichte der Gleichstellung ein. Jede Gruppe hat ihre eigenen Heldinnen, Hürden, Rückschläge und Siege. Die Kernthese der Autorin ist die Überwindung der „gierigen Arbeit“. Darunter versteht sie eine Arbeitswelt, die Überstunden, konstante Verfügbarkeit belohnt und damit Zeit für die Familie und sich selbst bestraft.
Das Buch erschien in der englischen Originalausgabe bereits 2021 und gewann massiv an Popularität im Jahr 2023, als Goldin mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet wurde. Begründung des Komitees war, dass „sie unser Verständnis der Arbeitsmarktergebnisse von Frauen verbessert hat“. Goldin ist damit dir dritte Frau, die den seit 1969 vergebenen Preis erhalten hat.
Auf den ersten Blick mag die Lektüre aufgrund der Länge und der wirtschaftswissenschaftlichen Diagrammen etwas einschüchternd wirken. Goldin spielt allerdings ihre volle Stärke als Harvard-Dozentin aus und schafft es, die Materie auch für Laien verständlich aufzubereiten. Durch die Verwendung von Protagonistinnen liest sich das Buch nicht wie eine wirtschaftsgeschichtliche Abhandlung, sondern wie ein Roman, bei dem man mit den Figuren mitfiebert. Hinzu kommt Goldins großartiges Talent für Beschreibungen und Metaphern durch, wenn sie beispielsweise marginale Verbesserungen wie eine weitere Frau im Aufsichtsrat als „unzureichend wie eine Packung Pflaster in einer Pestepidemie“ beschreibt. Ein Lob gilt an dieser Stelle auch den Übersetzerinnen, die Goldins Sprachfertigkeit erfolgreich ins Deutsche übertragen haben.
Allerdings muss man sich bei der Lektüre vor Augen halten, dass Goldin die amerikanische Geschichte beschreibt. Dadurch sind Jahreszahlen, Namen, Gesetze und Reihenfolge anders als gewohnt. Der Kampf für Frauenrechte und mehr Gleichstellung bleibt aber – überraschenderweise oder erschreckenderweise – im Kern der gleiche. Wir können das Buch daher wärmstens empfehlen, vor allem denjenigen, die einen Blick über den deutschen Tellerrand hinauswerfen wollen.
Wir verlosen ein Exemplar des Buches! Teilnahme per Mail an frauen@dbb.de mit dem Betreff "Gewinnspiel". Bitte geben Sie Ihre Adresse und die Ihrer dbb Mitgliedsgewerkschaft an, um an der Verlosung teilzunehmen. Einsendeschluss: 21. November 2024.
Über die Autorin:
Claudia Goldin ist Professorin für Volkswirtschaftslehre in Harvard. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Entwicklung der Rolle der Frau am Arbeitsmarkt und beschäftigt sich daher stark mit dem Gender Pay Gap. In ihrer fast 50 Jahre langen Zeit als Dozentin an verschiedenen Universitäten gelang es ihr, Bewusstsein für ein modernes Frauenbild in der Wirtschaft zu schaffen und mit hartnäckigen Klischees aufzuräumen. Für ihre Arbeit wurde sie mit vielen Preisen ausgezeichnet, der bedeutsamste war im Jahr 2023 der Wirtschaftsnobelpreis.