dbb magazin 7/8 2015 - page 40

Europäischer Datenschutz:
Gleiche Bedingungen für alle
Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre kam ins
Rollen, was wir heute als „World Wide Web“ ken-
nen: Langsam wird das ehemalige Forschungspro-
jekt öffentlich, farbig und kommerziell. 1995 gin-
gen User oft mit dem „Netscape“-Browser online,
nachdem sich das Modem lautstark eingewählt
und eine wackelige 56-Kilobit-Verbindung aufge-
baut hatte. Aufgrund der schwachen Leistung der
Infrastruktur konnten die wenigen Internetnutzer
jedes eintreffende Bit mit Handschlag begrüßen.
Aus dieser Zeit stammt die erste Europäische Da-
tenschutzrichtlinie. Sie wurde seitdem kaum ver-
ändert.
Verändert hat sich seit 1995
dagegen unser gesamtes di­
gitales Leben: Ohne Internet
geht nichts mehr auf unserem
Planeten. Kein anderes Medi-
um hat es in so kurzer Zeit ge-
schafft, Wirtschaft und Ge­
sellschaft grundlegend zu
verändern. Für Anbieter und
Nutzer digitaler Dienstleistun-
gen gehen damit Datenschutz-
fragen einher, die zu beider
Zufriedenheit gelöst werden
müssen: Wozu dürfen Konzer-
ne die anfallenden Nutzerda-
ten von heute mehr als drei
Milliarden Menschen verwen-
den, welche Rechte hat der
Einzelne? Die 1995 von der Eu-
ropäischen Gemeinschaft ge-
schaffene „Richtlinie 95/46/EG
zum Schutz natürlicher Perso-
nen bei der Verarbeitung per-
sonenbezogener Daten und
zum freien Datenverkehr“ be-
antwortet diese Fragen nicht
mehr zufriedenstellend. Nach
jahrelangen Verhandlungen
hat der Europäische Rat am
15. Juni 2015 eine allgemeine
Ausrichtung zur allgemeinen
Datenschutzverordnung, mit
der die Vorschriften an das di-
gitale Zeitalter angepasst wer-
den sollen, festgelegt, nach-
dem sich die EU-Justizminister
auf eine endgültige Fassung
geeinigt hatten. Sie soll ein
höheres Schutzniveau für
personenbezogene Daten
und die Schaffung von mehr
Geschäftsmöglichkeiten im
digitalen Binnenmarkt ermög-
lichen.
Der lettische Justizminister
Dzintars Rasnačs sieht darin
einen großen Schritt hin zu ei-
nemmodernen und einheitli-
chen Rahmen für den Daten-
schutz in der Europäischen
Union: „Ich bin sehr zufrieden,
dass wir endlich einen Kom­
promiss über den Text erzielt
haben. Mit der neuen, an die
Erfordernisse des digitalen
Zeitalters angepassten Daten-
schutzverordnung werden die
individuellen Rechte unserer
Bürger gestärkt und ein hohes
Schutzniveau gewährleistet.“
Der kommende luxemburgi-
sche EU-Ratsvorsitz kündigte
an, dass die Arbeit an der Richt-
linie zum Datenschutz auf dem
Gebiet der Strafverfolgung pa-
rallel zu den beginnenden Ver-
handlungen mit dem Europäi-
schen Parlament über die
Verordnung beschleunigt wird,
um im Oktober eine allgemei-
ne Ausrichtung festzulegen.
Eine allgemeine Ausrichtung
ist eine politische Einigung des
Rates, auf deren Grundlage er
in Verhandlungen mit dem
Europäischen Parlament ein-
treten kann, um zu einer Ge-
samteinigung über die neuen
Datenschutzregeln der EU zu
gelangen. Erklärtes Ziel ist, bis
Ende 2015 zu einer verbindli-
chen Einigung über die Reform
zu kommen.
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Recht auf „Vergessen“
Konkret beinhaltet die Novelle
Verbesserungen für Privatnut-
zer. Personenbezogene Daten
dürfen demnach nur noch un-
ter strengen Bedingungen und
für legitime Zwecke erhoben
und rechtmäßig verarbeitet
werden. Die für die Verarbei-
tung der Daten Verantwortli-
chen müssen spezielle Regeln
einhalten, etwa dass eine un-
missverständliche Einwilligung
der betroffenen Person (deren
personenbezogene Daten ver-
arbeitet werden) vorliegen
muss, damit sie personenbezo-
gene Daten verarbeiten dürfen.
Durch stärkere Datenschutz-
rechte sollen betroffene Perso-
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