dbb magazin 7/8 2015 - page 39

Glosse:
Gut gemeint .
. ist längst nicht immer gut. Manche Politiker
meinen es zwar gut mit den von ihnen auf den
Weg gebrachten Gesetzen und Verordnungen.
Doch was in der Theorie rund ist, erweist sich in
der Praxis ziemlich oft als eckig: Alexander Do­
brindt ist dabei, die Maut in den Sand zu setzen.
Wolfgang Schäuble tut es ihm mit der Erbschaft-
steuer gleich, Sigmar Gabriel dreht Pirouetten bei
der Energiewende, Ursula von der Leyen kämpft mit
einem Gewehr ohne Gewähr und Andrea Nahles
wird mit dem von ihr (und anderen) schöngerede-
ten Tarifeinheitsgesetz in Karlsruhe landen. Aber
das ist noch gar nichts gegen den Unbill, den die Ar-
beitsministerin sich durch ihren jüngsten Coup ein-
handelte. In der neuen Betriebssicherheitsverord-
nung hat sie es auf Personenumlaufaufzüge, sprich
Paternoster, abgesehen und lässt aus purer Sorge
um des Bürgers Wohlergehen seit dem 1. Juni nur
noch geschulte Beschäftigte in die Aufzug-Dinos.
Unbedarfte Kaufhauskunden oder Behördenbe-
sucher müssen sogar ganz außen vor bleiben.
Eines war Andrea Nahles sicher: Publicity, wenn
auch keine schmeichelhafte. Und wachsender
Widerstand, vor allem aus den Kommunen,
stemmte sich der Ministerin und ihremPaternos-
ter-Stopp entgegen. Der Druck war zu groß, und
bereits einen Tag nach demVerbot ruderte sie zu-
rück. Die Sicherheit der „VW-Käfer unter den Auf-
zügen“ – so dieMinisterin auf Facebook – soll künf-
tig konkret vor Ort entschieden werden dürfen, und
die Bundesländer werden schnellstens ermächtigt,
die in die Aufzugs-Welt gesetzten Beschränkungen
aufzuheben. So weit, so gut, oder doch nur gut ge-
meint? Denn hier hätte sich eine neue hoheitliche
Aufgabe im Bereich der öffentlichen Sicherheit für
Polizeibeamte des Bundes und der Länder (je nach
Standort und Betreiber der Personenumlaufauf-
zugs-Anlagen) ergeben: Knapp 400 Paternoster
sind bundesweit noch in Betrieb. Das hätte min-
destens 1 000 Neueinstellungen im Paternoster-
dienst zur Einweisung und Kontrolle der Nutzer
erfordert. Das wäre konsequent gewesen statt
lässig abzuwinken nach demMotto „hab’s doch
nur gut gemeint“ ..
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