dbb magazin 03/2016 - page 17

„Eigentlich wollte ich ein Sab-
batjahr machen“, erzählt die
studierte Förderschullehrerin,
„weil ich ehrenamtlich in der
Flüchtlingshilfe engagiert bin,
und es in der Rhön zu wenig
Lehrer gibt, bin ich eingesprun-
gen.“ Wittig lobt den Fleiß und
die Disziplin ihrer Schüler, die
keine Unterrichtsstunde ver-
säumen, die Hausaufgaben er-
ledigen und noch abends in
der Unterkunft weiterlernen:
„Das ist eine gemischte Grup-
pe, darunter Studenten, Aus-
gebildete und Menschen ohne
Beruf. Sogar ein Analphabet ist
dabei. Er hat am härtesten zu
kämpfen, aber er ist entschlos-
sen zu lernen und kann mei-
nem inklusiven Unterricht gut
folgen.“ Wichtig ist der jungen
Frau auch zu betonen, dass die
männlichen und muslimisch
geprägten Syrier, Iraker und
Afghanen im Kurs ihr respekt-
voll begegnen. „Ich habe mich
zu keinem Zeitpunkt auch nur
ansatzweise sexuell bedrängt
gefühlt. Ich habe sogar mit ih-
nen über die Ereignisse in der
Silvesternacht in Köln gespro-
chen. Alle waren beschämt.“
Doch was passiert, wenn der
gut strukturierte Alltag nach
Auslaufen des Kurses wieder
vom ereignislosen Einerlei in
den Unterkünften abgelöst
wird? Darüber mag Sabine
Wittig nicht spekulieren.
„Viele verbringen die unaus
­
gefüllten Stunden dann wohl
wieder in den Gemeinschafts-
räumen vor dem Fernseher.“
Sie hat aber auch von einem
Kurs gehört, den die Lehrerin
weiterführt, auf ehrenamtli-
cher Basis.
Martin Vogel und Rebecca
Schad sind vorbereitet.
Er, Arbeitsvermittler in Diens-
ten der Arbeitsagentur Bad
Hersfeld-Fulda mit interkultu-
reller Zusatzausbildung, und
sie, Mitarbeiterin des vom
Landkreis Fulda betriebenen
kommunalen Job-Centers mit
Auslandserfahrung, bilden ein
Kompetenzteam der besonde-
ren Art. Sie engagieren sich –
jeweils im Auftrag und Inte­
resse ihres Dienstherrn – im
neuen Arbeitsmarktbüro, um
die nahtlose Betreuung ihrer
Kunden mit Migrationsschick-
sal sicherzustellen. „Jeder
Flüchtling, der in Deutschland
einen Asylantrag stellt, ändert
im Laufe des Verfahrens sei-
nen Status und wechselt da-
mit auch den Leistungsträger“,
erklärt Rebecca Schad. „Solan-
ge sich eine Person noch im
laufenden Asylverfahren be-
findet, beziehungsweise eine
Ablehnung erhalten hat, aber
nicht rückgeführt werden
kann, ist die Arbeitsagentur
zuständig“, ergänzt Martin
Vogel. „Sobald ein Asylgesuch
anerkannt ist, hat der oder die
Betreffende Anspruch auf
Grundsicherung, und die wird
wiederum aus Mitteln der
steuerfinanzierten kommuna-
len Job-Center gezahlt“, führt
Rebecca Schad die Erklärung
fort.
In der Vergangenheit sei es
bei diesen Übergängen von ei-
nem Leistungsträger zum an-
deren häufig zu unerwünsch-
ten Unterbrechungen in der
Betreuung gekommen, erklä-
ren sie. Unter dem Eindruck
des anhaltenden Flüchtlings­
zustroms, der 2015 mehr als
2000 Schutzsuchende nach
Osthessen gebracht hat, sei am
7. Dezember 2015 die Idee der
Arbeitsmarktbüros – ein zwei-
tes wurde im Nachbarkreis Bad
Hersfeld-Rotenburg eingerich-
tet – kurzerhand umgesetzt
worden: „Durch die räumliche
Gemeinsamkeit lässt sich viel
bürokratischer Aufwand spa-
ren“, sind sich beide einig. „Wir
reichen die Akte bei einem Sta-
tuswechsel sozusagen nur über
den Tisch.“
Darüber hinaus sind Rebecca
Schad und Martin Vogel vor-
mittags auf Publikumsverkehr
eingestellt. Vogel empfängt
etwa die Teilnehmer der Grup-
peninformationsveranstaltun-
gen aus dem BiZ zur Beratung.
Dass wenige Tage nach Eröff-
<<
„Wir reichen uns bei einem Statuswechsel die Akte einfach über den Tisch.“ Arbeitsmarktbüro-Mitarbeiter
Rebecca Schad und Martin Vogel verteilen die Zuständigkeit zwischen Arbeitsagentur und Kreisjobcenter.
17
fokus
>
dbb magazin | März 2016
dbb
1...,7,8,9,10,11,12,13,14,15,16 18,19,20,21,22,23,24,25,26,27,...48
Powered by FlippingBook