dbb magazin 7/8 2015 - page 13

Als Vertreter eines jener fünf
hoch verschuldeten Bundes-
länder, die ihre strukturelle
Neuverschuldung bis 2020
nicht aus eigener Kraft auf null
zurückfahren können und des-
halb bis 2019 Konsolidierungs-
hilfen vom Bund und Ländern
erhalten, war der Minister für
Finanzen und Europa des Saar-
landes, Stephan Toscani (CDU),
nach Berlin gekommen.
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Saarland mit Bleiweste
Mit Blick auf die hohe Ver-
schuldung seines Landes sagte
er: „ImWettlauf mit anderen,
wohlhabenderen Bundeslän-
dern trägt das Saarland eine
Bleiweste.“ Dennoch bekenne
man sich an der Saar nach-
drücklich zur Schuldenbremse
als „Ergebnis generationenge-
rechten Handelns. Allerdings
müssen alle Länder objektiv
in der Lage sein, das Ziel zu er-
reichen, ohne das Gebot der
Gleichwertigkeit der Lebens-
verhältnisse zu verletzen.“ Im
Saarland und in Bremen, wo
die Lage „besonders schwierig“
sei, kämen trotz Konsolidie-
rungshilfen und trotz Anerken-
nung der harten Konsolidie-
rungsmaßnahmen durch den
Stabilitätsrat weitere Schulden
hinzu. Als „beeindruckend“ be-
zeichnete Toscani, dass es dem
Saarland seit 2011 bereits ge-
lungen sei, das Defizit mehr als
zu halbieren. Trotz eigener An-
strengungen könne aber das
Ziel auf Dauer nur erreicht wer-
den, „wenn das Problem der
unverschuldeten Altlasten an-
gegangen wird. Hilfe zur Ein-
haltung der Schuldenbremse
und Hilfe bei der Bewältigung
der Altlasten heißt, die Glaub-
würdigkeit und Wirksamkeit
der Schuldenbremse zu si-
chern“, zeigte sich Toscani
überzeugt. Er dankte dem dbb
saar ausdrücklich dafür, „dass
die Gewerkschaften den
schwierigen Weg – bis 2020
sollen elf Prozent der Stellen in
der Landesverwaltung abge-
baut werden – im Sinne der
Kolleginnen und Kollegen be-
gleiten“. Das gemeinsame Ziel
dieses „saarländischen Weges“,
so Toscani, sei der Weiterbe-
stand eines zwar kleinen, aber
attraktiven öffentlichen Diens-
tes. Neben dem Saarland und
Bremen bekommen die Länder
Schleswig-Holstein, Sachsen-
Anhalt und Berlin Finanzhilfen
– das sind 800 Millionen Euro
jährlich und bis zum Erreichen
der Deadline 2020 insgesamt
7,2 Milliarden Euro, die je zur
Hälfte von Bund und Ländern
aufgebracht werden müssen.
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Bund investiert
Milliarden
Auf die „Finanzspritzen“ für die
hilfebedürftigen Länder ver-
wies auch Werner Gatzer,
Staatssekretär im Bundesmi-
nisterium der Finanzen, in sei-
nem Vortrag. Hinter dem Titel
„Schuldenbremse – ein Er-
folg?“ wolle er allerdings lieber
ein Ausrufezeichen anstelle
des Fragezeichens sehen,
machte Gatzer klar. „Diese
Schuldenbremse atmet“, sagte
er und erläuterte: In guten Zei-
ten dürften keine Schulden
aufgenommen werden, in
schlechteren ja – aber dann
müsse auch ein Tilgungsplan
vorgelegt werden, der den Ab-
bau in angemessener Zeit vor-
sieht. Kritikern, die sagen, an-
gesichts guter Konjunktur und
niedriger Zinsen geschehe die
Konsolidierung gewisserma-
ßen ohne eigenes Zutun, hielt
Gatzer entgegen, dass der
„Wandel in den Köpfen“ schon
früher stattgefunden und die
Akteure eingesehen haben,
dass es so wie bisher nicht wei-
tergehen konnte. Gewonnene
Spielräume, etwa durch Steu-
ermehreinnahmen, seien unter
anderem dafür genutzt wor-
den, mehrere Investitionspro-
gramme auf den Weg zu brin-
gen. „Dafür stehen in den
Jahren 2016 bis 2018 insge-
samt rund zehn Milliarden Euro
bereit“, sagte Gatzer. So sollten
allein sieben Milliarden Euro in
die öffentliche Infrastruktur
(Straße, Schiene, Wasser, digi-
tale Infrastruktur), in Klima-
schutz, Energieeffizienz, Hoch-
wasserschutz und Städtebau
fließen. Zudem werde der
Bund seine „kommunalfreund-
liche Politik“ fortsetzen, ver-
sprach Gatzer. Länder und
Kommunen werden 2015 und
2016 bei der Aufnahme und
Unterbringung von Asylbewer-
bern mit jeweils 500 Millionen
Euro unterstützt. „Noch in die-
sem Jahr wird ein ‚Kommunal-
investitionsförderungsfonds‘
eingerichtet und einmalig mit
3,5 Milliarden Euro ausgerüs-
tet“, sagte Gatzer. Mit diesem
Sondervermögen gewähre der
Bund den Ländern bis 2018 Fi-
nanzhilfen für Investitionen in
finanzschwachen Kommunen.
„Bislang ist die Schuldenbrem-
se ein Erfolg“, so Gatzers Be-
wertung. „Sie muss sich aber
noch in wirtschaftlich schwie-
rigen Zeiten bewähren. Wir ha-
ben aber den notwendigen Si-
cherheitsabstand erreicht und
können von soliden Staats­
finanzen sprechen.“
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Disparität von
Bund und Ländern
„Öffentliche Finanzen in
Deutschland – Zwischen Alt-
schulden, Soziallasten und In-
vestitionsbedarf“ hatte Prof.
Dr. Martin Junkernheinrich von
der TU Kaiserslautern seinen
Impulsvortrag zu Beginn der
Fachtagung überschrieben und
damit gewissermaßen das
„Fundament“ für die sich an-
schließenden Beiträge und die
Podiumsdiskussion gelegt. Die
mit reichlich statistischemMa-
terial unterfütterten, fundier-
ten Darlegungen vom Inhaber
des 2008 gegründeten Lehr-
stuhls für Stadt-, Regional- und
Umweltökonomie stellten
hohe (Konzentrations-)Anfor-
derungen an die Zuhörer. Der
Experte ging zunächst auf die
Entwicklung der öffentlichen
Finanzen in Deutschland in den
letzten Jahren, Einnahmen und
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Prof. Dr. Martin Junkernheinrich
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Stephan Toscani
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